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StZ Plus: Ein Denkmal schreibt eine Erfolgsgeschichte
DATUM: | 21.07.2024 |
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BERICHT: | STUTTGARTER ZEITUNG |
Ein Denkmal schreibt eine Erfolgsgeschichte
Die Alte Zimmerei in Esslingen zählt zu den beliebten Fotomotiven. Was viele nicht wissen: Zunächst war der malerische Fachwerkbau nur Kulisse für einen Handwerksbetrieb. Helmut Ruf hat dem Gebäude neues Leben eingehaucht.
Text: Alexander Maier
Es gibt nicht viele Gebäude, die das Bild der Esslinger Altstadt so nachhaltig prägen wie die Alte Zimmerei. Dabei reicht die Geschichte des markanten Fachwerkgebäudes am Zusammenfluss von Rossneckar und Rossneckarkanal längst nicht so weit zurück, wie manche heute glauben. Erst der Projektentwickler und Immobilienexperte Helmut Ruf hat vor einigen Jahren erkannt, was wirklich in der Alten Zimmerei steckt. Heute beherbergt das Gebäude zwei Gastronomiebetriebe sowie Büro- und Praxisräume, im Hofbereich entstand ein modernes Wohnhaus. Nun wurde die zehnjährige Erfolgsgeschichte der Alten Zimmerei gefeiert.
Mittelalterliche Kulisse
1857 hat August Weißinger auf der Landzunge am Rossneckar einen hölzernen Schuppen und ein Magazin für sein Zimmerergeschäft gebaut, die mit der Zeit hinter Bäumen und Sträuchern verschwanden. Um seinen Betrieb und das Stadtbild aufzuwerten, errichtete der spätere Inhaber Otto Gustav Weißinger 1939 zunächst ein Fachwerkhaus quer zu den Kanälen - als „repräsentatives Geschenk an die Stadt".
Die nach alter Handwerkskunst gefertigten Fassaden waren nach drei Seiten solide Fachwerkkonstruktionen, die die Leistungsfähigkeit des Unternehmens dokumentieren sollten. Zum Innenhof blieb der Bau offen - eine mittelalterliche Kulisse für die Werkstatt. Ergänzt wurde das Ensemble 1951 durch einen Vorbau auch in historischer Fachwerktechnik auf der Spitze der Landzunge zur Agnesbrücke hin. ,,Diese Optik wirkt so echt, dass viele überzeugt sind, ein denkmalgeschütztes historisches Gebäude vor sich zu haben", weiß Helmut Ruf.
Der Charme der Alten Zimmerei hat den Projektentwickler sofort begeistert - wohl wissend, dass schon einige vor ihm vergeblich versucht hatten, mehr daraus zu machen. Ruf ist jedoch bekannt dafür, dass er auch scheinbar aussichtslose Projekte zum Erfolg zu führen versteht. Deshalb erhielt er von den damaligen Besitzern den Zuschlag.
2003 kaufte er die Alte Zimmerei, drei Jahre später einen angrenzenden Grundstücksteil. Helmut Ruf verhehlt nicht, dass auch er Geschäftsmann ist, doch er weiß, dass es gelingen kann, historische Bausubstanz so zu erhalten, dass ein Vorhaben auch wirtschaftlich darstellbar bleibt.
Sein Credo: ,,Man muss Empathie haben für solche Objekte und darf sie nicht nur mit dem Rechenstift angehen, sondern mit Stolz und Freude, dass man einem historischen Gebäude seine Würde zurückgeben und es dauerhaft bewahren darf. Kulturdenkmäler müssen für die Nachwelt erhalten und für die Menschen erlebbar bleiben. Das hat auch etwas mit Verantwortung zu tun." Und die ist verbunden mit viel zusätzlicher Arbeit.
Ein langer Atem wird gebraucht
Dass ein Neubau viel reibungsloser zu realisieren ist, ist dem Projektentwickler wohl bewusst. Doch ihn reizt die Herausforderung, historische Bauten anzugehen, an denen sich andere die Zähne ausgebissen haben. ,,So etwas lässt sich nie alleine realisieren", betont er und verweist auf ein gewachsenes Netzwerk: Ein guter Architekt, der mit Heinz Springmann gefunden wurde, fachkundige Handwerker, ein versierter Steuerberater fürs Finanzielle - nur wenn alle mitziehen, lässt sich ein Objekt wie die Alte Zimmerei zu Erfolg führen. Vor allem aber braucht es einen Bauherr, der neben der Begeisterung für eine historische Immobilie auch einen langen Atem mitbringt.
Bei der Alten Zimmerei galt dies ganz besonders. ,,Es erwies sich als schwieriger als von uns gedacht, eine allseits befriedigende Lösung zu finden", erinnert sich Ruf. ,,Alle Planungen mussten wegen des Ensembleschutzes bis ins Detail mit der städtischen Denkmalbehörde abgestimmt werden.
Ein jahrelanges Hickhack mit zahlreichen Planungen und Umplanungen begann, bis schließlich 2012 die Baugenehmigung erteilt wurde. Allein die Tatsache, dass das Fachwerkgebäude nicht abgerissen und originalgetreu wieder aufgebaut werden durfte, obwohl es gar nicht denkmalgeschützt ist, verursachte Mehrkosten von etwa 800000 Euro. Insgesamt beziffert Ruf die Sanierungskosten auf rund sieben Millionen Euro. Die Stadt steuerte gerade mal 84 000 Euro bei - die behördlich verordneten Mehrkosten summierten sich auf ein Vielfaches.
Ein Gebäude behält seine Würde
Zehn Jahre nach der offiziellen Einweihung der Alten Zimmerei kann Helmut Ruf zufrieden feststellen: Alles richtig gemacht. Die „L'Osteria" bietet italienische Küche, das „Fujisapa", das vor einiger Zeit den „Roten Hirsch" abgelöst hat, serviert japanische und vietnamesische Küche. Und in den oberen Stockwerken finden sich eine Arztpraxis, eine Unternehmensberatung - und die Firmenzentrale von Helmut Rufs Unternehmen VIW - Denkmalgeschützte Immobilien.
Dass er Objekte wie die Alte Zimmerei im Firmenportfolio behält und später in eine Familienstiftung überführen möchte, anstatt sie gewinnbringend weiterzuverkaufen oder gar unter verschiedenen Teileigentümern aufzuteilen, gehört zu Rufs Geschäftsphilosophie: ,,Das hat auch etwas mit der Würde dieser Zeugen der Vergangenheit zu tun, die ich so viel besser bewahren kann."